Die Kunst der Übersetzung im internationalen Einkauf – Tanja Dammann-Götsch im Gespräch mit Übersetzerin Nelly Thomas Teil 1
Im Einkauf, insbesondere wenn es um internationale Kontakte geht, sind präzise Absprachen das A und O. Ob es um Vertragsverhandlungen, Produktspezifikationen oder Lieferbedingungen geht – jeder Fehler in der Kommunikation kann weitreichende Folgen haben. Doch was passiert, wenn wichtige Dokumente oder Gespräche ins Englische übersetzt werden müssen? Plötzlich wird Sprache zur Herausforderung: Ein ungenau übersetzter Begriff kann Missverständnisse auslösen oder Verhandlungen unnötig erschweren. Gerade im Einkauf, wo es auf Genauigkeit, Schnelligkeit und klare Vereinbarungen ankommt, ist eine präzise Übersetzung entscheidend. Zu diesem Thema habe ich deshalb mit meiner langjährigen Übersetzerin Nelly Thomas gesprochen:

Nelly, du begleitest mich seit Jahren bei der Übersetzung meiner Arbeit, sei es in Kundengesprächen oder in meiner Kommunikation nach außen über Website, Blogbeiträge und Co. Was motiviert dich an dieser Aufgabe, und wie gehst du dabei vor?
Nelly: Meine Motivation ist wohl in meiner Kindheit verwurzelt. Schon früh habe ich meinen Vater, der kaum Englisch sprach, beim Dolmetschen unterstützt. Heute begeistert mich besonders die Herausforderung, Texte so zu übersetzen, dass sie sich an die Zielgruppe anpassen und dabei natürlich wirken. Bevor ich loslege, kläre ich immer: Um welche Inhalte handelt es sich? Wer ist die Zielgruppe? Und wie soll der Text eingesetzt werden? Das sind entscheidende Fragen, um die Übersetzung optimal abzustimmen.
Genau diese Abstimmung schätze ich so an unserer Zusammenarbeit. Mir ist es besonders wichtig, dass Übersetzungen nicht nur inhaltlich korrekt sind, sondern auch den kulturellen Kontext berücksichtigen. Ein Text, der beispielsweise für Asien geschrieben ist, muss andere Schwerpunkte setzen als einer für Europa oder die USA. Hier kann eine reine KI-Übersetzung einfach nicht mithalten.
Nelly: Fachinhalte erfordern nicht nur sprachliche, sondern auch thematische Kompetenz. Gerade im Einkauf ist es wichtig, branchenspezifische Terminologie zu verstehen und präzise zu übersetzen. Wenn ein Begriff im Englischen fehlt, beschreibe ich den Prozess dahinter oder suche nach einem passenden Äquivalent. Dabei hilft mir mein Wissen aus 25 Jahren Berufserfahrung in der Industrie sowie mein wirtschaftswissenschaftlicher Hintergrund.
Und wie unterscheidet sich das von einer einfachen Übersetzung? Mir ist Transkreation beispielsweise extrem wichtig, besonders wenn ich präsentieren oder international verhandeln muss. Die Texte müssen in solchen Kontexten Emotionen transportieren und nicht nur Informationen.
Nelly: Genau, hier kommt die Transkreation ins Spiel. Während eine reine Übersetzung die Inhalte von einer Sprache in die andere überträgt, geht es bei der Transkreation darum, Emotionen, kulturelle Nuancen und die Botschaft so anzupassen, dass sie beim Leser die gewünschte Wirkung erzielt. Das ist besonders bei Werbematerialien oder Blogbeiträgen entscheidend.
Das stimmt. Mir ist wichtig, dass meine Texte nicht nur verstanden werden, sondern auch kulturell passen. Ein englischer Text für Asien muss beispielsweise andere Schwerpunkte setzen als einer für die USA. Wie gehst du mit diesen kulturellen Unterschieden um?
Nelly: Die kulturelle Anpassung ist ein Kernaspekt meiner Arbeit. Ich analysiere die Zielgruppe und berücksichtige deren kulturelle Kontexte. Ein Beispiel: Der Begriff „Homeoffice“ bedeutet in England Innenministerium – das würde ohne Anpassung für Verwirrung sorgen. Solche Details mache ich im Text transparent. Ebenso kommt es oft zu Missverständnissen mit dem Begriff „Public Viewing“, der im Deutschen positiv für ein gemeinschaftliches Erlebnis steht, im Englischen aber „öffentliche Leichenschau“ bedeutet. Solche Fehler können gravierende Folgen haben, wenn sie nicht berücksichtigt werden. Deshalb ist es essenziell, dass kulturelle Feinheiten in die Übersetzung einfließen und im Text transparent gemacht werden.
Genau diese Sorgfalt macht einen großen Unterschied. Ich habe selbst in der Vergangenheit bei einem Kunden erlebt, wie negative Übersetzungen die Reputation eines Unternehmens schädigen können. Denn schlechte Übersetzungen fallen schnell auf und können wirklich peinlich sein – gerade in internationalen Geschäftsbeziehungen.
Nelly: Da bin ich ganz bei dir. Deshalb ist es wichtig, eng mit dem Kunden zusammenzuarbeiten, Feedback einzuholen und gegebenenfalls auch Glossare oder frühere Texte zu nutzen. Jeder Text sollte ein maßgeschneidertes Produkt sein.
Was würdest du Unternehmen raten, die Übersetzungsaufträge vergeben?
Nelly: Sie sollten sicherstellen, dass der Übersetzer oder die Übersetzerin sich intensiv mit der Thematik auseinandersetzt und die Branche versteht. Briefings sind dabei essenziell, ebenso wie der direkte Kontakt. Qualität kostet zwar mehr, spart aber langfristig Zeit, Geld und peinliche Missverständnisse.
Es wird deutlich: Hochwertige Übersetzungen sind mehr als nur die Übertragung von Wörtern – sie sind der Schlüssel zu erfolgreicher Kommunikation im internationalen Einkauf. Wie ich im Gespräch mit Nelly Thomas verdeutlichen konnte, geht es nicht nur darum, Fachbegriffe korrekt zu übersetzen, sondern auch kulturelle Nuancen und strategische Ziele zu berücksichtigen. Denn Sprache ist weit mehr als ein Werkzeug – sie ist ein Brückenbauer, der Märkte, Menschen und Perspektiven miteinander verbindet.
In Teil 2 des Interviews tauchen wir noch tiefer in die Zusammenarbeit von Einkauf und Übersetzung ein und beleuchten, wie diese Synergien branchenübergreifend genutzt werden können.
Mehr über zukunftssichere Strategien im Einkauf gibt es auch zum Nachhören in meinem Podcast.