Einzelkämpfer oder Teamarbeit – Wie ist es in Ihrem Einkauf?

Vor einigen Jahren war ich bei einem Automobilzulieferer, um unter anderem das Thema Verhandlungen zu trainieren. Mein Ziel war es, die Einkäufer bestmöglich darauf vorzubereiten und deshalb sollte es auch ein Praxis-Modul geben. In diesem wollte ich die Einkäufer und Verkäufer aus dem Unternehmen an einen Tisch bringen, damit sie gemeinsam an der Verhandlungsvorbereitung und -führung arbeiten. Doch anstatt die großartige Möglichkeit anzunehmen, hieß es auf Einkaufsseite: „Mit unseren Verkäufern wollen wir keine Verhandlungen führen, die sind total arrogant.“ Von der anderen Seite kam ebenfalls Widerstand: „Mit unseren Einkäufern verschwenden wir unsere Zeit, wir können daraus nichts lernen.“ Ein echtes Pulverfass auf dem ich jetzt saß.

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Das war bei weitem nicht das einzige Unternehmen, bei dem ich solche Aussagen erlebte. Sowohl der Einkauf als auch der Verkauf wollten sich nicht aufeinander einlassen, sondern lieber in ihrer eigenen „Suppe“ schwimmen. In diesem Fall hatte ich allerdings die volle Unterstützung der Geschäftsleitung, die darauf bestand, das Praxis-Modul durchzuführen. So kam es dazu, dass die beiden Abteilungen an echten Fällen der Einkäufer arbeiteten, sich darauf vorbereiteten und dann gemeinsam eine Verhandlung durchführten. Das Feedback danach war absolut positiv: „Es hat uns richtig nach vorne gebracht, mit den Verkäufern auch die Vorbereitung für eine Verhandlung zu erarbeiten. Es kam noch einmal eine ganz andere Sichtweise, an die wir gar nicht gedacht hätten.“ Auch die Verkäufer äußerten sich positiv und waren erstaunt, was alles hinter einer Verhandlungsvorbereitung des Einkaufs steckt. Wenn das nicht für die abteilungsübergreifende Teamarbeit innerhalb eines Unternehmens spricht.

Königsdisziplin Teamverhandlung

Noch mehr freute ich mich darüber, dass einer der Teilnehmer mir ein paar Wochen später schrieb, dass sie sich jetzt vor großen Verhandlungen regelmäßig mit dem Verkauf treffen, um diese vorzubereiten. Davon profitieren die Einkäufer wie Verkäufer und letztlich natürlich auch das gesamte Unternehmen. Teamverhandlungen sind die Königsdisziplin der Verhandlungen und brauchen eine außerordentlich gute Vorbereitung. In vielen Branchen gibt es abteilungsübergreifende Teams, die gemeinsam mit den Einkäufern in Verhandlungen gehen. Damit hier alles reibungslos verläuft, sollte sich jeder seiner Rolle bewusst sein. Denn es gibt kaum etwas schlimmeres, als wenn das eigene Team keine Strategie, kein Ziel und keine Klarheit hat – die Gegenseite hat dann leichtes Spiel. Schauen wir uns einmal die Rollen der Einzelnen in einer Teamverhandlung genauer an.

Der Verhandlungsleiter

Jede Verhandlung braucht eine Person, die sie leitet. Das muss nicht immer automatisch auch der Einkaufsleiter oder der Mitarbeitende mit der höchsten Position sein. An dieser Stelle kann jeder eingesetzt werden, der sich dafür eignet. Die Aufgaben des Verhandlungsleiters bestehen darin, sich vorab ein kompetentes Team zusammenzustellen und, wie der Name schon sagt, die Verhandlung zu leiten. Diese Person führt das Team an und ist ebenfalls dafür verantwortlich, dass alle an einem Strang ziehen. Er oder sie beantworte Sachfragen, verfügt über ein breites Wissen zur Verhandlungssache und hat sich intensiv mit dem Fall beschäftigt.

Der Brückenbauer

Neben der leitenden Person in einer Verhandlung gibt es noch weitere Rollen. Eine davon nenne ich gerne den Brückenbauer. Dieser gilt als Identifikationsfigur der Gegenseite. Er oder sie hat Verständnis für den Verhandlungspartner, ist meist sehr empathisch und sorgt dafür, dass die Gegenseite Sicherheit und Zustimmung erhält. In der Praxis wird diese Rolle oftmals vom Leiter der Technik bzw. Produktion übernommen – das ist aber kein Muss.

Der Schonungslose

Eine dritte Rolle in Teamverhandlungen ist die des Schonungslosen, der auch mal mit der Gegenseite anecken kann. Wäre er nicht dabei, könnte man sich mit der Gegenseite wahrscheinlich schneller einigen, dennoch ist diese Rolle sehr wichtig und kitzelt oft noch bessere Konditionen heraus. Vor der Verhandlung sollte sich das Team überlegen, in welchen Punkten wahrscheinlich nicht sofort eine Einigung erzielt werden kann – hier bohrt der Schonungslose genauer nach. In dieser Rolle ist authentisches Auftreten ein absolutes Muss. Die Verhandlungspartner merken schnell, ob jemand tatsächlich so ist oder nur in die Rolle geschoben wurde.

Der Entscheider

Der Entscheider ist oft eine Doppelrolle – sprich der Verhandlungsleiter kann auch als Entscheider agieren, wenn dies von Vorteil ist. Dem Entscheider obliegt das letzte Wort. Er fällt das abschließende Urteil und sein Wort ist für alle gültig. Das Team muss besonders darauf achten, dass am Ende alle geschlossen hinter dem stehen, was der Entscheider sagt. Sollte die Gegenseite mitbekommen, dass Uneinigkeit herrscht oder gar jemand der Entscheidung widerspricht, kann dies unter Umständen den bisherigen Verhandlungserfolg zunichte machen.

Der Moderator

Insbesondere bei Teamverhandlungen, in denen mehrere Personen beteiligt sind, braucht es einen neutralen Moderator. Dieser achtet darauf, dass die Beteiligten nicht zu weit vom Thema abschweifen, er kann ggf. eine Pause anordnen, wenn es zu unruhig wird und auch in verfahrenen Situationen einen Ausweg zeigen. Er hat ebenfalls die Zeit im Blick und tritt auf, sobald die Verhandlung zu emotional wird und bringt sie wieder auf ein sachliches Niveau zurück. Achtung: Der Moderator sollte sich in keinem Fall selbst in Verhandlung einbringen und Partei ergreifen.

Vorbereitung ist das A und O

Ein Verhandlungsteam, in dem jeder seine Rolle einnimmt, muss gut eingespielt sein. Man sollte daher auf jeden Fall eine Generalprobe durchführen, in der auch alle Materialien und Hilfsmittel, die man in der Verhandlung zeigen und nutzen will, zum Einsatz kommen. Alles sollte einmal von vorne bis hinten durchgespielt werden, damit es reibungslos läuft. Das gesamte Team braucht vor der Verhandlung unbedingt eine Strategie sowie eine gewisse Flexibilität und Spielraum. Es muss genug Zeit sein, die Taktiken vorher zu erproben und zu besprechen. In der Verhandlung ist dann Zusammenhalt gefragt. Auch wenn sich zum Beispiel die Rollen des Brückenbauers und des Schonungslosen scheinbar gegenseitig das Leben schwer machen, so haben sie doch ein gemeinsames Ziel. Enttäuschung, Ärger und Unstimmigkeit haben in einer Verhandlung keinen Platz – schließlich ist die Gegenseite auch bestens vorbereitet und weiß solche Anzeichen zu deuten und für den eigenen Vorteil zu nutzen. Abschließend gilt noch ein wichtiger Punkt: Erst wird der Preis verhandelt und dieser ist Hoheitsgebiet des Einkaufs – niemand anderes im Team verhandelt den Preis.

Wie agiert Ihr Einkauf – sowohl im Unternehmen als auch in Verhandlungen? Haben Sie echte Teamplayer oder doch einsame Ritter? Ich freue mich auf Ihre Erfahrungen in diesem Thema. Schreiben Sie mehr gerne über LinkedIn oder vereinbaren Sie einen persönlichen Termin.

Mehr zu diesem und anderen Themen für zukunftssichere Strategien im Einkauf gibt es auch zum Nachhören in meinem Podcast.


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*Der einfacheren Lesbarkeit halber verwenden wir auf dieser Website das generische Maskulinum. Es ist uns wichtig zu betonen, dass alle Geschlechter sich gleichermaßen angesprochen und willkommen fühlen dürfen.