Hilfe, die Digitalisierung kommt – wie läuft das im Einkauf?
In jedem Unternehmen begegnen wir dem großen Wort „Digitalisierung“ – es schwebt wie ein Damoklesschwert über allen Abteilungen, das jederzeit bereit ist herunterzufallen. Der Einkauf bildet hier keine Ausnahmen. Doch wie lässt sich mit dem Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und der täglichen Praxis im Einkauf umgehen? Welche Ansatzpunkte gibt es für die Digitalisierung im Einkauf und welche Fehler werden gemacht?
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Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was Digitalisierung überhaupt ist, denn es handelt sich hierbei nicht um ein neuzeitliches Phänomen. Im Prinzip ist sie eine Vereinfachung der Arbeit durch einen EDV-Prozess. Für den Einkauf heißt das im Idealfall, es geht schneller und effektiver, sodass mehr Zeit für strategische Themen bleibt. Ein Blick in die Geschichte der Beschaffung zeigt, dass bereits die Ägypter durch den Einsatz von Papyrus eine Vereinfachung der Arbeit herbeiführten. Ein Zeitsprung in die 50er-Jahre offenbart einen zuverlässigen Aufbau von Lieferketten und in den 90ern war der Startschuss für die Digitalisierung endgültig gefallen – die ersten Unternehmen waren online. Prozesse wurden in PCs abgebildet, Disketten kamen auf den Markt und wir waren voll und ganz im Thema Digitalisierung angekommen.
Digitalisierung und Arbeitsalltag
Haben Sie schon einen Einkauf 4.0 oder regieren bei Ihnen nach wie vor Excel-Tabellen und Einzelbestellungen per Mail? Schließlich heißt es doch auch „Never change a running system“, oder? Doch spätestens seit Corona kommt keiner mehr um das Thema Digitalisierung von Einkaufsprozessen herum. Dadurch lädt sich das Spannungsfeld zwischen dem großen Wort Digitalisierung und der täglichen Praxis im Einkauf weiter auf. Neulich sagte mir zum Beispiel ein Kunde: „Wir können uns jetzt nicht um die Digitalisierung von Strukturen und Prozessen kümmern. Wir haben so viel Arbeit.“ Das ist schon die Krux an der Sache. Die administrativen Tätigkeiten, die Zeit fressen, würden durch digitale Prozesse vereinfacht, aber es bleibt keine Zeit für die Digitalisierung – ein Perpetuum Mobile entsteht. Um in eine Entwicklung zu kommen, gilt es Prozesse zu sortieren. Das mag im Moment aufwändig und unangenehm sein, aber hier bietet die Digitalisierung eine Chance. Dennoch sollte die Digitalisierung nicht als Nebenbei-Projekt gesehen werden. Leider ist es in der Praxis häufig der Fall, dass der Einkaufs- oder Gruppenleiter mit den Worten: „Wir machen jetzt mal ein neues Projekt zum Thema Digitalisierung“ losgeschickt wird. Meiner Meinung nach kann das nicht beiläufig gemacht werden. Es handelt sich um eine komplette und wichtige Projektarbeit, die Zeit in Anspruch nimmt. Ein genauer Blick in die Prozesse und die Schnittstellen sowie das Festlegen von Leitplanken, ist sowohl für den Einkauf als auch für die angrenzenden Abteilungen entscheidend – und nicht mal eben gemacht.
Arbeitserleichterung durch Digitalisierung im Einkauf
Durch die Digitalisierung soll die Arbeit des operativen Einkäufers, der indirektes Material einkauft, erleichtert werden. Die administrativen Tätigkeiten können mittels Digitalisierung direkt an den Anforderer weitergegeben werden. Derjenige, der Bedarf hat, kann so die Möglichkeit nutzen und zum Beispiel auf eine E-Porcurement-Plattform oder in einem E-Katalog unmittelbar bei einem Lieferanten bestellen. Ich arbeite mit vielen Start-ups zusammen, die mittlerweile auch ausgefeilte Apps zur Verfügung stellen, in denen gewisse Waren einfach online über verschiedene E-Procurement-Portale bestellt werden können. Werden solche Prozesse im Einkauf etabliert, fallen viele zeitraubende administrative Aufgaben weg.
Erste Schritte zur Digitalisierung
Viele denken beim Wort Digitalisierung an künstliche Intelligenz oder die Digitalisierung kompletter Lieferketten. Doch es muss nicht immer das große sein, auch mit kleinen überschaubaren Projekten zu starten ist enorm hilfreich, um aufzuzeigen, wie Digitalisierung funktioniert und erfolgreich umgesetzt werden kann. Sie können beispielsweise interne Prozesse zwischen den Abteilungen digitalisieren oder E-Invoicing einführen. Weiterführend können Sie überlegen, das Bestellsystem ihrer Lieferanten digital an ihr ERP-System oder ihr Warenwirtschaftssystem anzubinden.
Vorteile von Einkauf 4.0
Die Liste der Vorteile, die die Digitalisierung des Einkaufs mit sich bringt, umfasst unter anderem eine geringere Fehlerquote, kürzere Durchlaufzeiten, mehr Transparenz und geringere Prozesskosten. Seit mehreren Jahren wird über den Einkauf 4.0, die Digitalisierung und deren Vorteile gesprochen, doch die Realität offenbart, dass viele Unternehmen nach wie vor hinterherlaufen. Es gibt viele Herausforderungen aber keine konkreten Lösungen und so bleibt es wie es ist – weit weg vom digitalen Einkauf. Wer heute noch mit Strukturen und Prozessen von gestern arbeitet, wird keine verbesserte Qualität erreichen. Die Technik allein bietet jedoch keinen Mehrwert – erst wenn die Menschen damit arbeiten, leistet die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag zur Wertschöpfung. Voraussetzung für ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt ist, dass die vorhandenen Prozesse analysiert und für die zukünftigen Gesamtabläufe ausgelegt und angepasst werden.
Mitarbeiter ins Boot holen
Bei der Digitalisierung geht es ebenfalls darum, die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen und alle Akteure miteinander zu vernetzen. Die Digitalisierung schafft eine „automatisierte Kommunikation“. In der Zusammenarbeit sind für die Beteiligten in den Prozessabläufen bestimmte Aktivitäten über Workflows hinterlegt, so dass diese gemeinsam abgearbeitet werden können – darin liegt die Effektivität. Die Digitalisierung funktioniert nur, wenn jeder bereit ist, über seinen Tellerrand hinauszuschauen. Das heißt ein Verständnis für den Gesamtablauf bekommt und seinen eigenen Prozess so gestaltet, dass er in den Nachbarprozess passt. Ohne alte Strukturen aufzubrechen, die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen und die Einkaufskompetenz zu verbessern geht es nicht.
Wollen auch Sie Ihren Einkauf digitalisieren und stehen dabei vor Herausforderungen? Lassen Sie uns diese gemeinsam meistern – gerne stehe ich Ihnen im persönlichen Austausch mit Klarheit, Struktur und neuen Ansätzen zur Seite.