Immer diese E-Mails! Wie wichtig ist echte Kommunikation?

Gefühlt bekomme ich am Tag 200 E-Mails – wie ist es bei Ihnen? In vielen Unternehmen läuft ein Großteil der Kommunikation über Mails oder Nachrichten. Ich beobachte, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Einkaufsleitung und auch Einkäuferinnen und Einkäufer an der ein oder anderen Stelle verlernt haben, sich von Angesicht zu Angesicht, auf Augenhöhe zu unterhalten. Das finde ich persönlich sehr schade. Ich erinnere mich diesbezüglich noch gut an eine Situation, in der ich als Interim Managerin im Einkauf für ein Industrieunternehmen tätig war.

Shutterstock.com | alphaspirit.it

In einem Büro saßen drei Mitarbeitende – unter anderem Sophie, eine junge, dynamische und top ausgebildete Einkäuferin, die in meinen Augen zudem auch sozial sehr kompetent war. Als ich einmal an ihrem Bildschirm vorbeigelaufen bin, sah ich, wie sie eine Frage zum ERP-System in die Suchmaschine eingab. Es ging darum, wie man Transaktion XY durchführt und kurzerhand sagte ich Sophie: „Warum fragst du nicht einen deiner Kollegen?“ Sie antwortete: „Ich möchte niemanden stören, ich schaue lieber im Internet nach.“ Natürlich sind wir Menschen verschieden und selbstverständlich muss nicht wegen jeder Kleinigkeit gleich nachgefragt werden, doch in diesem Moment wurde mir auch klar, dass viele verlernt haben, mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu sprechen oder Fragen zu stellen.

Woher kommt die Flut an E-Mails?

Eine Beobachtung, die auch Sie bestimmt schon des Öfteren gemacht haben, ist, dass E-Mails von einem Schreibtisch zum anderen fliegen, und nicht einmal das Büro verlassen. Das ist mit Sicherheit einer der Gründe, warum das Postfach überquillt. Bei General Motors haben wir auch immer den CYA-Mails, oder nicht ganz jugendfrei Cover your A** Mails gesprochen, sprich von Absicherungsmails. Häufig werden zu allen Themen zig Mails geschrieben – denn sicher ist sicher, oder!? Alles wird dokumentiert und festgehalten, ganz nach dem Motto: „Wer schreibt, der bleibt.“ Meiner Meinung nach liegt das zum Großteil daran, dass in vielen Unternehmen eine schwierige Fehlerkultur gelebt wird. Alles wird doppelt und dreifach abgesichert, damit nachher gesagt werden kann: „Ich habe doch eine Mail dazu geschrieben“ anstatt in die echte Kommunikation zu gehen, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und zu sprechen.

Wollen Sie 200 Briefe auf dem Schreibtisch?

Im Laufe der Zeit hat sich ebenfalls eine gewisse Konfliktscheue eingebürgert. Bevor etwas offen, ehrlich und direkt angesprochen wird, setzt man lieber auf die elektronische Kommunikation und holt hier am besten noch viele andere ins Boot. Mit einem möglichst großen E-Mail-Verteiler, in dem der Chef und der Chef des Chefs im cc sind und am besten noch die vertraute Kollegin als „geheime“ Mitleserin im bcc, fühlt man sich scheinbar sicherer. Am Ende des Tages führt dies zu großen Konflikten, weil eben keine echte Kommunikation stattfindet. Von Lieferanten bekomme ich auch gespiegelt, dass wir im Einkauf immer sehr kurz und knackig auf E-Mails antworten. Das kann schnell falsch verstanden werden. Eine Einkäuferin sagte mir beispielsweise auch, dass es sie nervt, wenn jemand ein „Danke“ zurückschreibt. Die ganzen E-Mails, die wir uns tagtäglich hin- und herschicken, gleichen manchmal einem regelrechten Konflikt-Pulverfass. Allerdings sind E-Mails nicht nur in Bezug auf das Konfliktmanagement zu beachten, sondern auch, wenn es ums Zeitmanagement geht. Da wird schnell eine E-Mail geschrieben, um den Gedanken aus dem Kopf zu haben und jemanden anderen mit der Aufgabe zu betrauen. Zeitmanagement bedeutet aber nicht, etwas von der einen auf die andere Stelle zu schieben. Auch haben E-Mails ihren ehemaligen Status eines elektronischen Briefes verloren. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie 200 Briefe aus Papier auf Ihrem Schreibtisch liegen hätten … Das, was jeden Tag elektronisch per Mail vermittelt wird, ist zu einem Steuerelement des Arbeitsalltags geworden. Daher lautet meine Empfehlung: Schauen Sie sich einmal andere Tools an.

Tools statt Mails

Die Möglichkeiten an Tools sind mittlerweile riesig, ob Microsoft, Apple oder weitere Anbieter. Von To-do-Listen über Whiteboards bis hin zu Projektmanagement-Tools gibt es alles, um den Arbeitsalltag zu steuern. In einer Liste kann man sich notieren, was wichtig für den Tag ist, was Priorität hat, in welchen Zeiten, was erledigt wird, anstatt sich am Ende des Tages selbst eine E-Mail zu schicken – und ja, das beobachte ich tatsächlich noch häufig. Wir sollten in unserem Arbeitsalltag bewusst zwischen E-Mails und Tools unterscheiden und beide Instrumente sinnvoll einsetzen. Es sind jedoch nicht nur E-Mails, die uns von echter Kommunikation abhalten, sondern auch die zahlreichen Chats über z. B. Teams, Zoom, WhatsApp und Co. Dort ist es noch unkomplizierter, schnell Nachrichten zu schicken. Daran ist per se nichts verkehrt, wir können zum Beispiel darüber informieren, dass wir später in ein Meeting kommen, doch manchmal wird das ganze ad absurdum geführt. Nachrichten wie „Hast du meine E-Mail schon gelesen“, „kannst du den Termin, den ich dir per Mail geschickt habe, bestätigen“ oder „ich schreibe dir gleich eine Mail zum Thema XY“ sind nicht nur zeitraubend, sondern auch ziemlich sinnbefreit. Mein Wunsch an die Einkaufsabteilungen und da nehme ich Führungskräfte nicht aus, ist, dass wieder mehr echte Kommunikation stattfindet.

Reden hilft

Von Angesicht zu Angesicht sprechen hilft in den meisten Fällen, sei es bei Konflikten oder in der Lösung von Problemen. Eine E-Mail ist in erster Linie sachlich, aber unterschwellig eben auch auf der Beziehungsebene. Ein banaler Satz, den wir von einer anderen Person nur lesen, weckt mitunter Emotionen und wir fangen teilweise an, viel hineinzuinterpretieren, weil die Stimmlage, die Mimik und Körpersprache des anderen fehlt. In einem echten Gespräch erkennen wir schnell, wie die andere Seite reagiert und können darauf eingehen – bei Mails ist das nicht so einfach möglich. Wenn ich als Interim Managerin ein Projekt übernehme, dann führe ich jeden Morgen ein 20-minütiges Stand-up Meeting durch. Die Beteiligten sind dann vor Ort oder per Teams oder Zoom vom Homeoffice aus mit dabei. In dieser Zeit sagt jeder, was er an diesem Tag geplant hat, was seit gestern gemacht wurde, wo Schwierigkeiten und Herausforderungen liegen und an welchen Stellen das Gespräch noch vertieft werden sollte. Diese Meetings sind für Führungskräfte ebenfalls ein Indikator, um zu sehen, wie die Stimmung im Allgemeinen und bei jedem Einzelnen ist.

Fazit

Die Flut an E-Mails wird weiter anhalten. Laut Prognosen von Statista werden sich die privat wie geschäftlich versendeten und empfangenen Mails weltweit im Jahr 2025 auf rund 376,4 Milliarden pro Tag belaufen. Eine andere Auswertung zeigt, dass die täglich empfangenen Business E-Mails von 2015 bis 2019 im Schnitt 77 betrugen.  19 dieser E-Mails waren im Übrigen Spam. Bevor Sie also das nächste Mal eine E-Mail schreiben, denken Sie daran, ob es nicht besser wäre, das persönliche Gespräch zu suchen oder mit einem anderen Tool zu arbeiten. Probieren Sie es einfach mal aus.

Gerne möchte ich mich mit Ihnen über dieses Thema austauschen. Vernetzten Sie sich dazu einfach mit mir auf LinkedIn oder vereinbaren Sie einen kostenlosen Termin. Mehr zu diesem und anderen Themen für zukunftssichere Strategien im Einkauf erfahren Sie ab sofort auch in meinem brandneuen Podcast – hören Sie jetzt rein.


Whitepaper Download: Die Zukunft des Einkaufs ist digital

Erfolgsfaktor Digitalisierung – so meistern Sie den Wandel erfolgreich

Whitepaper-Inhalte:

  • Digitalisierung im Einkauf hat höchste Priorität
  • Der Mensch in der Digitalisierung
  • Kernfragen der Digitalisierung
  • Arbeitsblatt: "Vorarbeit zur Digitalisierung"
  • Realitätscheck: Alles nur Wunschdenken
  • Einen fehlerhaften Prozess digitalisieren
  • Wozu überhaupt digitalisieren?
  • Künstliche Intelligenz – Strohfeuer oder Dauerbrenner?

*Der einfacheren Lesbarkeit halber verwenden wir auf dieser Website das generische Maskulinum. Es ist uns wichtig zu betonen, dass alle Geschlechter sich gleichermaßen angesprochen und willkommen fühlen dürfen.