Lieferkettengesetz – jetzt kann es teuer werden
Haben Sie heute eine Mango aus Afrika gegessen, Kaffee aus Brasilien getrunken oder tragen Sie Kleidung, die in Asien gefertigt wurde? Insbesondere in Europa profitieren wir von den Produkten und Erzeugnissen anderer Länder und pflegen erfolgreiche Handelsbeziehungen. Über die vergangenen Jahre ist es vielen dabei wichtiger geworden zu wissen, woher die Produkte stammen und unter welchen Arbeitsbedingungen sie hergestellt wurden. Das jedoch war oftmals nicht transparent und wir alle kennen Dokumentationen zu Arbeitsbedingungen, die Menschenrechte verletzen. Mit dem zu Jahresbeginn in Kraft getreten deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll dies nun ein Ende haben.
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Erstmals werden Unternehmen in die Verantwortung genommen, für die Einhaltung von Menschenrechten innerhalb ihrer Lieferketten zu sorgen. Von der Produktion über den Transport bis zum Handel müssen alle an der Wertschöpfungskette beteiligten deutschen Unternehmen konkrete Sorgfaltspflichten zur Achtung der Menschenrechte umsetzen. Im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) wurden fünf Kernaspekte der Sorgfaltspflicht beschreiben, die wir uns im Folgenden einmal genauer ansehen wollen.
1: Verantwortung anerkennen
Im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist es vorgesehen, dass Unternehmen eine Grundsatzerklärung über ihre Strategie zur Einhaltung der Menschenrechte abgeben. Diese sollte von der Unternehmensleitung verabschiedet und intern wie extern kommuniziert werden. Die Inhalte der Grundsatzerklärung sehen wie folgt aus:
- Ergebnisse der Risikoanalyse zu umweltbezogenen und menschenrechtlichen Risiken
- Maßnahmen zur Prävention und Abhilfe
- Verfahrensbeschreibung, wie die Sorgfaltspflichten eingehalten werden
- Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten
- Festlegung klarer Verantwortlichkeiten
- Ausblick über geplante Präventionsmaßnahmen
Ziel ist es, dass Unternehmen ihre Menschenrechtsstrategie allen Stakeholdern gegenüber offenlegen. Dabei sollten die Erwartungen auch an die eigenen Mitarbeitenden und Lieferanten kommuniziert werden.
2: Risiken erkennen
Die Grundsatzerklärung legt großen Wert auf die Risikoanalyse. Es ist erforderlich, dass Unternehmen transparent darstellen, wie ihre Produktions-, Transport- und Handelslieferketten aussehen und welche Risiken in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt damit verbunden sind. Dies schließt auch die Geschäftsbereiche der Zulieferer mit ein. Bei der Analyse potenzieller Risiken gilt es verschiedene Arten von Auswirkungen zu unterscheiden:
- Risiken, die direkt vom Unternehmen verursacht werden,
- solche, die durch Vertragsbeziehungen, beispielsweise mit Lieferanten, entstehen oder
- Risiken, die durch komplexe Geschäftsbeziehungen ohne direkte Vertragsregelungen, wie sie bei zahlreichen Zwischenhändlern auftreten können, entstehen.
3: Risiken minimieren
Auf Basis der Risikoanalyse sollten Unternehmen nun geeignete präventive Maßnahmen ergreifen, um Verstöße zu verhindern. Dazu gehören:
- Vereinbarungen entsprechender vertraglicher Menschenrechtsklauseln mit direkten Zulieferern,
- Umsetzung geeigneter Beschaffungsstrategien,
- Durchführung von Schulungen für Mitarbeitende und Zulieferer,
- Regelmäßige Überwachungsmaßnahmen gegenüber allen Stakeholdern.
Falls die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette oder am eigenen Standort verletzt wird, muss das Unternehmen umgehend Maßnahmen ergreifen, um dies zu beenden oder zu minimieren – auch wenn es sich um vergangene Menschenrechtsverletzungen handelt. Auch gilt es, die Zulieferer in den Lieferketten zu beobachten. Wenn sich herausstellt, dass sie Menschenrechte verletzt haben, beispielsweise bei der Produktion von Waren, dem Transport von Wirtschaftsgütern oder im direkten Handel, muss das Unternehmen sofort handeln und Sanktionen verhängen.
4: Informieren und Bericht erstatten
Die Erfüllung der Sorgfaltspflicht erfordert eine umfassende Berichterstattung. Alle Maßnahmen und Verletzungen im Kontext des Gesetzes müssen fortlaufend dokumentiert werden. In einem jährlichen Bericht an das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) gibt das Unternehmen Auskunft über:
- die ermittelten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken,
- die ergriffenen Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht,
- die Bewertung der Auswirkungen und Wirksamkeit dieser Maßnahmen,
- die Ableitung weiterer präventiver Maßnahmen für zukünftige Fälle.
Die Dokumentation muss spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres an das BAFA übermittelt werden und muss zudem mindestens sieben Jahre lang auf der Unternehmenswebsite öffentlich zugänglich sein.
5: Beschwerden ermöglichen
Nicht zuletzt müssen Unternehmen gemäß dem Lieferkettengesetz auch ein Beschwerdeverfahren einrichten. Dieses richtet sich an alle beteiligten Stakeholder, die unmittelbar von einer Menschenrechtsverletzung betroffen sind oder Kenntnis von potenziellen oder tatsächlichen Verletzungen haben. Um ein wirksames Beschwerdesystem zu etablieren, ist es wichtig, dass das Unternehmen im Austausch mit den Mitarbeitenden und Zulieferern steht.
Unternehmen sollten sicherstellen, dass Beschwerden vertraulich behandelt werden und keine negativen Auswirkungen auf die Beschwerdeführer haben. Sie sollten angemessene Kanäle für die Einreichung von Beschwerden bereitstellen, zum Beispiel eine spezielle Hotline, eine E-Mail-Adresse oder ein Online-Formular. Zudem sollten klare Verfahren für die Bearbeitung und Untersuchung von Beschwerden festgelegt werden.
Die Einrichtung eines effektiven Beschwerdemechanismus stärkt die Transparenz und Rechenschaftspflicht eines Unternehmens. Indem Beschwerden ernst genommen und angemessen behandelt werden, können Unternehmen ihr Engagement für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards demonstrieren und ihr Vertrauen bei den Stakeholdern stärken.
Werden Sorgfaltspflichten verletzt, kann es teuer werden
Wenn Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen, wird es mitunter teuer. Die Bußgelder belaufen sich auf bis zu 8 Millionen Euro oder zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Zudem ist es möglich, dass Unternehmen ab einer bestimmten Bußgeldhöhe von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Überwacht wird dies von der BAFA, die eine umfängliche Kontrollbefugnis gegenüber den Unternehmen besitzt. So darf sie Geschäftsräume betreten, Unterlagen einsehen oder Auskünfte verlangen.
Wie es konkret aussehen kann, wenn Verstöße gegen das Lieferkettengesetz gemeldet werden, zeigen unlängst Schlagzeilen über die ersten Beschwerden gegen die Unternehmensgiganten Amazon und Ikea. Menschenrechtsorganisationen haben gegen die Händler Beschwerde beim BAFA eingereicht. Sie werfen den beiden Unternehmen vor, gegen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu verstoßen. Sollte das BAFA ebenfalls einen Verstoß sehen, kann das für die Unternehmen sehr teuer werden. Bei Ikea läge die Grenze bei rund 800 Millionen Euro, bei Amazon wären im Extremfall sogar bis zu zehn Milliarden Euro Strafen möglich.
Die Organisationen ECCHR und Femnet kritisieren unter anderem, dass die Händler den sogenannten „Bangladesh Accord“ nicht unterzeichnet haben, ein Abkommen, das die Sicherheit in den Textilfabriken des Landes verbessern soll. Außerdem seien in Fabriken, die Amazon und Ikea beliefern, Sicherheitsmängel und Arbeitsrechtsverstöße festgestellt worden. Konkret wollte sich das BAFA noch nicht dazu äußern, versichert aber, dass jede Beschwerde gründlich und individuell geprüft werde.
Ich bin gespannt, wie sich diese Fälle entwickeln werden und wir hier sehen, ob und wie beim Lieferkettengesetz durchgegriffen wird. Fakt ist jedoch, dass sich jedes Unternehmen, intensiv mit dem neuen Gesetz auseinandersetzen muss. Wenn Sie dazu Fragen haben und insbesondere wissen möchten, welche Rolle der Einkauf dabei spielt, lassen Sie uns gerne in einem persönlichen Termin sprechen.
Mehr zu diesem und anderen Themen für zukunftssichere Strategien im Einkauf gibt es auch zum Nachhören in meinem Podcast.
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